Grundschule an der Infanteriestraße, München

Lebendiges Lernumfeld


Grundschule an der Infanteriestraße, München

Behnisch Architekten, München


Im Münchner Kreativquartier ist 2021 entlang der Infanteriestraße eine neue 5-zügige Grundschule für bis zu 500 Kinder mit einer Doppelsporthalle, einem Haus für Kinder sowie Tiefgarage entstanden. Offene Raumstrukturen in fünf Lernhäusern bieten die Voraussetzung für einen vielfältig nutzbaren Ort und ein lebendiges Lernumfeld. Das Gebäude mit über 7.000 Quadratmeter Nutzfläche wurde nach dem Münchner Lernhauskonzept gestaltet, die Schule gliedert sich somit in fünf Lernhäuser für je bis zu 100 Schülerinnen und Schüler. Zudem können im „Haus für Kinder“, einer angegliederten Ganztageseinrichtung, 100 Kinder im Alter von 0 und 6 Jahren betreut werden. Das Projekt ist Teil der Münchner Schulbauoffensive nach dem vom Stadtrat genehmigten dritten Bauprogramm. Über den Haupteingang der Schule von der Infanteriestraße gelangen die Besucher*innen in ein lichtdurchflutetes Atrium, das auch als Verbindung zu den großzügigen Außen- und Freibereichen der Schule dient. Unter einem weit auskragenden Gebäudeflügel entstehen hier geschützte Pausenflächen, an denen sich die Schüler*innen auch bei schlechtem Wetter frei bewegen können. Ein Verkehrsparcours lädt die Kinder zu Aktivität ein. Laufbahn, Weitsprunganlage, Kletterlandschaft, ein Rasenplatz und ein Allwettersportplatz animieren zu Spiel und Spaß im unmittelbaren Umfeld der Schule. Diese neu geschaffenen Außenräume verankern schulisches Leben in der Nachbarschaft. Ein öffentlicher Weg an der Südseite Richtung Kirche St. Barbara sorgt für Verbindungen innerhalb des Kreativquartiers. Neu geplante Erlebnisorte werden so mit bereits vorhandenen Elementen vernetzt. Aktivität und Lebendigkeit können in das neue Schulgebäude hinein- und wieder herausgetragen werden. Die Schule zeigt sich als fließender Bewegungs- und Kommunikationsraum und avanciert zum Impulsgeber im Quartier.

SCHULBAU FÜR INTERAKTION

Die Schule ist als sternförmiger Grundriss organisiert. Drei Gebäudeflügel gruppieren sich um einen zentralen, als Atrium angelegten, verbindenden Treppenraum. Er ist das Herzstück der Schule, bildet die vertikale sowie horizontale Orientierungsachse des Gebäudes und bietet Sichtverbindungen in verschiedene Bereiche wie Mensa und Außenraum. Eine prägnant gestaltete Treppenbrüstung markiert mit einer gelben Farbgebung das Zentrum der Schule und windet sich spiralförmig hinab ins Erdgeschoss. Das von oben einfallende Tageslicht reflektiert an den Treppenläufen und Kanten, wird in die Tiefen des Raumes gelenkt, sodass hier ein lichtdurchfluteter Ort der Begegnung und Kommunikation entsteht. Sämtliche gemeinschaftlich genutzte Funktionen befinden sich im Erdgeschoss: der Speisesaal und ein Mehrzweckraum, die zusammengeschaltet werden können, der Küchentrakt, das Lehrerzimmer, die Verwaltung, ein Musikraum sowie die Sporthalle. Im ersten und zweiten Obergeschoss dagegen sind die fünf Lernhäuser angesiedelt – auf je einer Fläche von etwa 800 Quadratmetern. Jedes Lernhaus verfügt über vier Klassenzimmer, zwei Räume für die Ganztagesbetreuung, einen Teamraum sowie zwei Gruppen- bzw. Inklusionsräume, die sich allesamt um eine gemeinsame Mitte organisieren. Dieser zentrale Aufenthaltsbereich kann für vielfältige Pausen-, Schul- und Freizeitaktivitäten genutzt werden, er fördert die Interaktion und bereichert das schulische Leben. Die Gestaltung der Lehrräume wirkt angenehm und ruhig durch den Einsatz schlichter, heller Farbtöne in Kombination zu Sichtbeton und der Natürlichkeit des Holzes. Zwei Klassenzimmer sind jeweils über einen zusätzlichen, zwischengeschalteten Raum miteinander verbunden; großformatige (Schau-)Fenster erlauben Einblicke in das Unterrichtsgeschehen. Eigene Eingangsbereiche bescheren den einzelnen Lernhäusern dabei unverwechselbare Adressen. Im ersten Obergeschoss, auf einem Teil des Sporthallendaches entwickelt sich ein besonderes Raumangebot in Form einer Dachlandschaft: Das luftige Areal mit einem Schulgarten und Pflanzbeeten bietet sich für Anschauungsunterricht im Freien an, Sitzgelegenheiten unter Sonnensegeln schaffen lauschige Plätze zum Verweilen, sodass Veranstaltungen unterschiedlicher Natur an diesem attraktiven, exponierten Ort beheimatet sein können.


KUNST AM BAU

Ein 350 Quadratmeter großes, in einer Kratztechnik erstelltes Deckengemälde der Künstlerin Ruth May ziert den nach Süden auskragenden Baukörper oberhalb des geschützten Pausenbereichs. Das Gemälde zeigt eine Fülle an symbolischen Gegenständen wie Elemente der Kartografie, der Himmelsdarstellung oder Enzyklopädie und weist mit diesen Abbildungen auf das Aufgabenfeld einer Grundschule hin, nämlich Grundlagen für das Leben und Lernen zu schaffen. Es spannt ein schützendes Dach, einen lebendigen Himmel über den Kindern auf.


HAUS FÜR KINDER

Das Haus für Kinder wird neben der Schule als eine eigenständige Einrichtung betrieben. Es bietet Ganztagsbetreuung für die Kleinsten im Alter von 0 bis 6 Jahren und ist somit eine Kombination aus Krippe und Kindergarten. Das Kitagebäude schließt sich im südlichen Bereich der Infanteriestraße an die Schule an und ist direkt mit ihr verbunden. Mittelpunkt ist der lichtdurchflutete, zentrale Eingangs- und Spielflur. Die nach Süden orientierten Gruppenräume verfügen über einen direkten Zugang zum Garten, hier schließt sich ein eigener, abgeschirmter Außen- und Spielbereich an. Oberhalb, auf dem Dach der Kita, befindet sich die als Pavillon konzipierte Hausmeisterwohnung.

WARME FARBEN & NATURBELASSENE MATERIALIEN

Das Material- und Farbkonzept hat sich aus dem Kontext des umgebenden Grünraums, mit seinem prachtvollen, alten Baumbestand entwickelt. Die hellgrünen, opaken Flächen der geschlossenen Vorhangfassade kontrastieren zu den verglasten Öffnungselementen der Holz-Pfosten-Riegel-Fassade. Putzflächen in drei abgestuften Grüntönen spiegeln die changierende Farbskala der Laubbäume wider. Deutlich gesetzte, offene Fugen entwickeln sich spielerisch und baukörperübergreifend über die Geschosse und unterschiedlichen Nutzungen hinweg. Texturen und Anstriche mit wechselndem Glanzgrad verleihen der Fassade, in Abhängigkeit der Lichtverhältnisse, einen lebendigen, dynamischen Charakter. Die umlaufenden, auskragenden Fluchtbalkone aus feuerverzinktem Stahl gliedern die Fassade in der Horizontale und fassen mit hellem Stirnblech die Gebäudeteile zusammen. Vordächer aus Holz und in die Fassade integrierte Lightshelves unterstützen diesen Gedanken und verleihen dem Gebäude mit dieser Differenzierung einen angenehmen Maßstab. Den unterschiedlichen Nutzungsbereichen wird jeweils eine eigene Farbwelt zugeordnet, entsprechend der räumlichen Situation und Funktion. Das Innere der Schule prägt eine Atmosphäre des „wohnlichen Zuhauses“ mit sanften, warm-gelblichen Farbtönen, naturbelassenen Materialien und hellem Holz. Gemeinschafts- und Verkehrszonen im Erdgeschoss erhalten Böden aus geschliffenem Sichtbeton, vor dessen Hintergrund die gelbe Farbgebung der Treppenbrüstung markant zur Geltung kommt. Kräftige Gelbtöne werden dort eingesetzt, wo Maßnahmen zur Lichtlenkung und Streuung des Tageslichts Anwendung finden, die Farbmarkierung betont diese Bereiche und macht das Tageslicht für die Kinder erlebbar. Wandverkleidungen, Einbauregale, Trennwände und Fassadenelemente aus Weißtanne unterstreichen die helle, freundliche Wirkung der Innenräume und sorgen für eine haptische Materialität.


NACHHALTIGES KLIMA- & ENERGIEKONZEPT

Um eine optimale Tageslicht- und Frischluftversorgung bei gleichzeitig hohem visuellen, thermischen und akustischen Komfort und einem minimierten Gesamtprimärenergiebedarf zu gewährleisten, ergänzt eine zusätzliche Grundlüftung mit thermisch isolierten, schallgedämmten und in der Brüstung installierten Dauerlüftern das Lüftungskonzept. An warmen Sommertagen trägt eine Nachtlüftung zu einem besseren Raumklima bei. Überströmelemente in den Innenwänden unterstützen die natürliche Kaskadenlüftung: Die Weiterleitung der Frischluft aus den Klassenräumen erfolgt bis zu den innenliegenden Sanitärkernen, dort wird sie über Abluftanlagen abgeführt. Die Gruppenräume im Haus für Kinder sowie die Verwaltungsbereiche werden über Fenster belüftet, während die Versammlungsräume und der Küchentakt mit einer mechanischen Lüftung ausgestattet sind. Des Weiteren unterstützen Lightshelves an der Fassade mit lichtlenkenden Eigenschaften das energiesparende Tageslicht- und Klimakonzept. Direkt einstrahlendes Sonnenlicht wird vermieden, auch mit Hilfe von Dachüberständen und einem beweglichen Sonnenschutz, sodass der Wärmeeintrag im Sommer reduziert ist. Die Lightshelves reflektieren das Licht und sorgen für eine gleichmäßige Verteilung im Klassenraum. Deckenhohe Fenster in den Lernhäusern sowie im Haus für Kinder bieten eine optimale Belichtung bis in die Tiefen der Räume. Oberlichter, Lichtschächte und eine die Lichtlenkung unterstützende Farbgestaltung ergänzen das Gesamtkonzept. Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach sorgen für Energieeinsparungen, eine höhere Wirtschaftlichkeit sowie Verringerung der CO2-Emissionen. Eine intensive Dachbegrünung verbessert das Mikroklima, bietet Retentionsflächen und fördert die Biodiversität.

Projektinformationen

Objekt: Grundschule an der Infanteriestraße, München

Architekten: Behnisch Architekten, München
(www.behnisch.com)

Fotos: David Matthiessen


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