EDGE Suedkreuz Berlin

Besonders nachhaltig


EDGE Suedkreuz Berlin

TCHOBAN VOSS Architekten, Hamburg Berlin Dresden


Um Bürokonzepte für Unternehmen entwickeln zu können, ist es für Architekten unabdingbar, sich als Erstes mit der Unternehmenskultur und -struktur vertraut zu machen. Denn die Architektur des Gebäudes soll die Werte und Ziele, für die das Unternehmen steht, widerspiegeln. Faktoren wie Atmosphäre und Steigerung der Aufenthaltsqualität gewinnen dabei immer stärker an Bedeutung. Um die Kommunikation und Ergebnisorientierung zu fördern, werden Zonen für den persönlichen Austausch geschaffen. Auch eine ökologische Bauweise und eine nachhaltige Bewirtschaftung gewinnt bei den Unternehmen weiter an Bedeutung, um die eigene Zukunftsfähigkeit zu steigern und Ressourcen bestmöglich zu schonen. Der Projektentwickler EDGE hat von 2019 bis 2022 am Südkreuz Berlin die neue Deutschlandzentrale für 1.650 Mitarbeiter des schwedischen Energieunternehmens Vattenfall realisiert. Der Neubau nach den Entwürfen von TCHOBAN VOSS Architekten ist das deutschlandweit größte, fertiggestellte Holz-Hybrid-Bauwerk und erhielt die höchste DGNB-Zertifizierung als nachhaltigstes Gebäude in Deutschland sowie den „DGNB Diamant“ für herausragende gestalterische Qualität der Gesamtkonstruktion und der Innenräume sowie Deutschlands erstes WELL Core & Shell Gold Zertifikat. Das innovative Bürogebäude befindet sich an einem öffentlichen Platz in direkter Nachbarschaft zum wichtigen Verkehrsknotenpunkt Berlin-Südkreuz und ist Teil des Stadtentwicklungsprojekts „Schöneberger Linse“. Vier umlaufend angeordnete Büroriegel umschließen über sieben Geschosse den in der Mitte liegenden transparent überdachten Lichthof, das sogenannte Atrium. Die Treppen- und Aufzugskerne sind in den Gebäudeinnenecken positioniert. Das Dach ist in Teilen extensiv begrünt. Als Teil des neuen Stadtquartiers wurde mit dem Entwurf dieses neuen Bürostandortes das Areal zwischen Sachsendamm, Hedwig-Dohm-Straße, Hildegard-Knef-Platz und Lotte-Laserstein-Straße neu strukturiert: Grün, offen und gleichzeitig präsent. Das kleinere Gebäude folgt als langgezogener Solitär der Bauflucht des größeren Bürogebäudes, das mit einem unregelmäßig trapezförmigen Grundriss als Carré ausgebildet ist. Die zwei Baukörper bilden zur Hedwig-Dohm-Straße eine Flanke und lassen zum Bahnhof Südkreuz einen neuen, urbanen Vorplatz mit Grünanlagen und Sitzmöglichkeiten entstehen.

Wald im architektonischen Zentrum

Im Herzen der Vattenfall-Deutschlandzentrale befindet sich ein großzügiges, lichtdurchflutetes Atrium. Eine zweigeschossige, zum Vorplatz hin orientierte Eingangslobby mit einer lichten Höhe von 7 Metern öffnet das massive und strikt gerasterte Volumen und lenkt den Blick unweigerlich in das eindrucksvolle Gebäudeinnere. Überspannt wird die 26 Meter hohe Empfangshalle von einem transparenten ETFE-Foliendach, das auf einer Holzbinderkonstruktion ruht. Die umlaufenden, raumhohen Geschossfenster der Büros, der verglaste Eingangsbereich sowie das große Panoramafenster der Lounge sorgen zusätzlich für viel Tageslicht. Zentraler Blickfang sind die vier in ihren Höhen abgestuften, baumähnlichen Gebilde, die unter dem Foliendach wie in einem Gewächshaus in den Himmel emporwachsen und mit ihrer Lamellenstruktur aus Fichtenholz an gigantische Pilze erinnern. Ebenerdig gruppieren sich um ihre Stämme grüne Ruheinseln. Zusätzlich beleben Community- und Gastronomieflächen das Atrium. Die Kronen der sogenannten „Trees“ tragen Aufenthaltsplattformen und bilden auf verschiedenen Raumebenen grüne Erholungs- und Kommunikationszonen. Verbunden sind sie durch filigrane Treppen mit weißen Geländern, die – jenseits der klassischen Gebäudekerne – über die Plattformen hinauf zu den angrenzenden Büroetagen führen und so ein architektonisches Kommunikationsnetz bilden. Im fünften Obergeschoss befindet sich eine Sky-Lounge mit Panoramafenster und einer großzügigen Außenterrasse. Die Lounge ist offen mit dem Atriumraum verbunden und ebenso wie die Büros fußläufig über die „Baum-Treppen“ zu erreichen. Von Stützen, Balken, Fenstern, Türen über Verkleidungen und Handläufen: Holz findet sich sichtbar in allen Innenbereichen des Gebäudes, bereichert die klare Architektur um ein lebendiges Element und holt so den Aspekt der Natur in die einzelnen Räume des als offenes Ökosystem gedachten Bürokomplexes. Der Wald als Ursprung des prägenden Materials Holz steht so auch symbolisch unverkennbar im Zentrum der Architektur.

Moderne Arbeitswelt

Das Architekturbüro de Winder begleitete den Projektentwickler EDGE bei der Suche nach den geeigneten Nutzern der Immobilie ab 2017 und übernahm anschließend die Planung und Gestaltung der rund 22.000 Quadratmeter großen Arbeitswelt im Auftrag von Vattenfall. Die nachhaltige und innovative Ausrichtung des Gebäudes und der zukünftigen Mieterin ergänzten sich perfekt und dienten als Grundlage für die Entwicklung der neuen Büroflächen. In zwei Workshopreihen mit den Angestellten aus den unterschiedlichen Abteilungen wurden gemeinsam Lösungen für die Struktur und Nutzungsmöglichkeiten der Grundrisse erarbeitet. Die Größe und Lage der Work Spaces, der Meetingräume und der Rückzugsbereiche wurden intensiv diskutiert und umgesetzt. Auch die Gestaltung der Teambereiche ist das Ergebnis eines partizipativen Prozesses mit den Vattenfall-Mitarbeitenden. So entstanden maßgefertigte Arbeitsbereiche mit wechselnden Atmosphären und Nutzungskonstellationen: Die Teamareas dienen mit unterschiedlichen Farbgebungen einzelner Zonen zur besseren Orientierung im Gebäude. Jede „Teambase“ – unter den Mitarbeitenden gern auch als „Bushaltestelle“ bezeichnet – wird von den Arbeitsgruppen individuell bespielt und steigert so das Identifikationsgefühl. Die Arbeitsplatzbereiche werden kombiniert mit eingestellten Phone Booths und Meetingboxen, Rückzugsbereichen zum Relaxen oder ruhigen Arbeiten, Zonen für Informal Meetings, Stauraumflächen sowie Lockereinheiten. Da es sich im Gesamten um ein non-territoriales Arbeitsplatzkonzept handelt, sind alle Mitarbeitenden frei in der Platzwahl innerhalb des Gebäudes, jedoch ebenso den „Teambases“ zugeordnet. Als Ergänzung befinden sich auf jedem Geschoss zwei zum Atrium gewandte Teamküchen mit Dinerbereich und Coffeebases sowie separate buchbare Collaboration Center.

Die Gestaltung und Zonierung des Atriums mit den vier baumförmigen Stützen war eine der größten Herausforderungen für die Innenarchitekten. Die Gliederung der erdgeschossigen Fläche erfolgte durch Differenzierung einzelner horizontaler wie vertikaler Zonen mit unterschiedlichen Aufenthaltsqualitäten. Eine raumprägende modulare Sitzlandschaft zoniert die drei verschiedenen Bereiche. So bespielt das individuelle Möblierungskonzept mit maßgefertigten Einbauten, wie Tischen und Sitzbänken im Restaurant, Bistrotischen an Sitzinseln in der Coffee Area sowie funktionalen Tischkonfigurationen im Co-Working-Bereich, den Raum. Die Zonierung wird durch das intensive und integrierte Begrünungskonzept harmonisch ergänzt und fördert so den Wohlfühlcharakter der einzelnen Bereiche. Um auch die akustischen Anforderungen an das 26 Meter hohe Atrium zu optimieren, wurden absorbierende Oberflächen in der Sitzlandschaft und den freistehenden Raumteilern integriert. Die Höhenstaffelung der Einbauten erzeugt verschiedene Wahrnehmungs- und Sichtbereiche und bespielt auf diese Weise das beeindruckende Volumen des Atriums.


Solitärgebäude

Das Solitärgebäude besitzt eine zweigeschossige Eingangslobby mit einer lichten Höhe von ca. sieben Metern. In den ersten bis sechsten Obergeschossen befinden sich Büros, im Erdgeschoss zusätzlich Gastro-, Gewerbe bzw. Einzelhandelsflächen. Auch hier ist Holz als architektonisches und gestalterisches Element allgegenwärtig erlebbar. Das Gebäude betritt man über den neuen Stadtplatz, die vertikale Erschließung erfolgt über einen zentral gelegenen Kern mit einem Sicherheitstreppenhaus und zwei Aufzügen. Gartengleich präsentiert sich die begrünte Außenfläche der Lounge auf dem Dach des Gebäudes.

Projektinformationen

Objekt: EDGE Suedkreuz Berlin

Architekten: TCHOBAN VOSS Architekten, Hamburg Berlin Dresden
(www.tchobanvoss.de)

Interior Design Deutschlandzentrale Vattenfall: de Winder Architekten GmbH, Berlin
(www.dewinder.de)

Fotos: Ilya Ivanov; HG ESCH, Laurian Ghinitoiu, Mark Seelen for de Winder


U.A. BETEILIGTE FIRMEN

Büro für Integrale Tragwerksplanung GmbH
D-14197 Berlin

thomas allton GmbH
D-16761 Hennigsdorf